Folge 05 – Sex

Diesmal wagen sich die beiden Herren an ein Thema, an dem sie nur scheitern können: Sex. Oder geht es nicht eigentlich um Sexualität? Oder um Geschlechter, äh, gender? Wir halten eine Sekunde inne, um drüber nachzudenken – nichts ahnend, dass in dieser Sekunde weltweit fast 3.000 männliche und 500 weiblich Orgasmen erlebt werden. Oder sollten wir nicht besser sagen, knapp 3.500 menschliche? Wir tun uns schwer, mit dem Sex und den Orgasmen – vor allem die Frauen. Die Männer aber noch mehr. Am besten wir reden mal ganz offen darüber. Oder sollten wir nicht endlich mal aufhören, ständig über Sex zu reden?

Literaturliste:

  • Rönicke, Katrin: Sex. 100 Seiten, Reclam, 2017

  • Mahnkopf, Claus-Steffen: Philosophie des Orgasmus, Suhrkamp, 2019

  • Foucault, Michelle: Sexualität und Wahrheit. Erster Band. Der Wille zum Wissen, Suhrkamp, 1987

  • Korte, Alexander: Pornografie und psychosexuelle Entwicklung im gesellschaftlichen Kontext. Psychoanalytische, kultur- und sexualwisschenschaftliche Überlegungen zum anhaltenden Erregungsdiskurs, Psychosozial-Verlag, 2018

  • Streidl, Barbara: Feminismus. 100 Seiten, Reclam, 2019

  • Bourdieu, Pierre: Die Männliche Herrschaft, Suhrkamp, 2012

  • Butler, Judith: Das Unbehagen der Geschlechter. Gender Studies, Suhrkamp, 1991

  • Gadsby, Hannah: Nanette (Stand-up-Comedy), Netflix, 2018

  • Passmann, Sophie: #Männerwelten (TV-Beitrag), ZDF, 2020

  • Interview mit der der Sexarbeiterin Fabienne Freymadl im Mai 2021 (https://ladyvelvetsteel.com/ bitte auch ihren Podcast beachten: https://whoroscope.eu/)

  • Interview mit dem Religionspsychologen Dr. Lars Allolio-Näcke im Mai 2021.

7 Gedanken zu „Folge 05 – Sex

  1. Danke für den interessanten Podcast!! Hat mich echt inspiriert zu Gedanken. Sonst interessiert mich das Thema mittlerweile gar nicht mehr wirklich. Aber paar Dinge möchte ich auch noch loswerden: Jörg: manche Frauen brauchen keine Finger zur Selbstbefriedigung, können die Klitoris zwischen die Beine einklemmen und bewegen. Die Phantasie bzw Emotion spielt dabei eine größere Rolle als etwas mechanisches. Zweitens: ich kann oft schwer nachvollziehen, was an Pornofilmen oder Prostitution sexistisch und gegen Frauen sein soll: diese Frauen bekommen dafür Geld u ich habe größten Respekt vor ihnen, dass sie diesen Job machen können (selbstverständlich rede ich von freiwilliger Sexarbeit, nicht von Menschenhandel u Sklaverei.) Betrachtet doch mal das aus dem Blickwinkel: wie fühlt sich das an, wenn man dafür bezahlen muss, dass jmd Sex mit einem haben will? Aber vll macht das Männern nix aus?? Als ich mal an einem Bordell vorbei fuhr, las ich über dem Eingangs Schild: „du kommst als Fremder und gehst als Freund.“ Das tat mir in der Seele weh, welch innere Einsamkeit mag wohl bei manch einem dahinter stecken? Punkt drei: warum das so ist, weiß ich nicht, aber ich habe noch nie in meinem leben unter Sexismus gelitten. Weder beruflich noch privat, vll weil ich über manches nur lachen kann u nicht so ernst nehme. Also kann ich manches an der Debatte nicht gut nachvollziehen. Aber wirklich schlimm finde ich, wenn Männer in unserer Gesellschaft nicht mehr lernen wollen, mit einer Frau fürs ganze Leben zufrieden zu sein. Ihr tut so, als wären die verschiedenen Modelle heutzutage Gender unabhängig von beiden so gewollt u das glaube ich einfach nicht, weil Frauen sich einfach schneller binden. Das denke ich, auch wenn es nach stereotyp klingt u klar gibt es auch andere. Letzter Punkt: ich bin ja auch für Toleranz gegenüber diversen Lebensformen aus dem Grund, weil es eine Realität ist und ich gegen Ausgrenzung bin. Aber wie ich euch verstanden habe, postuliert ihr die Freiheit der Menschen in Sexualität u Lebensform über alle anderen menschlichen Grundbedürfnisse. Konkret: ich bin dagegen, dass homosexuelle Paare Kinder adoptieren können. Ich sehe das Bedürfnis des Kindes nach Mutter u Vater als Grundbedürfnis. Ich hab so viele Dokus gesehen, in denen es um adoptierte Menschen geht u die immer nach ihren Erzeugern suchen später. Ich finde es total egoistisch, sich diesen Wunsch erfüllen zu wollen. Das regt mich so auf, dass bei dieser Gender Debatte alles so gleich gemacht wird. Für mich is ne Frau ne Frau u ein Mann ein Mann, fertig. Was is das Problem? Ja und es gibt Menschen, die sind biologisch Zwitter, dann gibt es welche, die fühlen sich im falschen Geschlecht geboren u auf jeden Fall muss man die unterstützen, dass sie in dem Geschlecht leben können, in dem sie sich zu Hause fühlen. Aber das mit dem Kinder adoptieren is ne ganz andere Sache.
    Eine Frage, die ihr eigentlich nicht direkt gestellt habt: habe ich das Recht, meine Sexualität so auszuleben wie ich möchte, wenn mir das möglich ist, und wer bestimmt die Grenze? Die Gesellschaft? Oder was bestimmt Gott da genau? Was ist an der Bibel mit der damaligen Zeit begründet und was nicht? Wozu Sexualität beherrschen (in manchen Religionen). Kam ja vor, an der stelle mit den Mönchen, aber ich galube, es hat noch tiefere Gruende, warum Gott auch Selbstbeherrschung wichtig ist, fuer uns.So, bin fertig! Vielen Dank euch nochmal, auch fürs Interview mit der Sexarbeiterin u das viele Lesen, Respekt für die viele Mühe!!! LG

  2. Susi! Danke für den Kommentar!
    1. Manche Männer können auch freihändig oder durch Stimulation von anderen Körperteilen wie Brustwarzen oder Prostata orgasmieren.
    2. Ich finde Porno auch nicht per se sexistisch. Es ist aber so, dass die Mehrheit der Männer eine postive Einstellung gegeneüber Pornos haben und die Mehrheit der Frauen eine ablehnende. In der Wissenschaft wird das oft als „Frauenproblem“ hingestellt, tatsächlich ist der Grund wohl eher die Art und Weise, wie dort Frauen abgebildet werden. Ähnlich wie die Filme von Christopher Nolan nicht per se sexistisch sind, aber durch die Tatsache, dass wichtige Rollen immer Männer haben, wird ein subtiler Sexismus transportiert.
    3. Ja, viele Frauen leiden in Deutschland nicht unter Sexismus, wir können da so dankbar dafür sein. Aber wie sagte meine Psychologie Dozentin damals: „N=1 ist nicht representativ!“ 🙂
    Ich glaube auch, das Verhältnis Sex-Liebe-Bindung ist geschlechterabhängig ist. Ich denke, dass Frauen eher zur K-Strategie neigen und Männer eher zur R-Strategie. Da man aber von der Masse nicht auf das Individuum schließen kann ist die Frage, wie wichtig diese Feststellung ist – und ob es nicht besser wäre, wenn jeder Mensch seine Sexualität frei finden könnte.
    4. Ich denke, Menschen brauchen gaaanz viele Vorbilder und Vorbilderinnen: männliche, weibliche, queere, solche mit einer Behinderung, alte, junge,… Das schaffen die Eltern grundsätzlich nicht alleine. Ist ein Mensch ohne männlichem Vorbild benachteiligt? Ich glaube schon. Ist ein Mensch ohne Vater per se benachteiligt? Ich glaube nicht.
    Die ungestellte Frage kann Stefan beantworten 🙂

  3. Liebe Susi.

    Vielen Dank für deinen ausführlichen Kommentar.

    Da Jörg das meiste ja schon – aus meiner Sicht – sehr zufriedenstellend beantwortet hat, möchte ich auf deine Frage(n) „Habe ich das Recht, meine Sexualität so auszuleben wie ich möchte, wenn mir das möglich ist, und wer bestimmt die Grenze? Die Gesellschaft? Oder was bestimmt Gott da genau? Was ist an der Bibel mit der damaligen Zeit begründet und was nicht?“ antworten.

    Zunächst einmal, wenn du von „Recht“ sprichst, dann ist dieses natürlich in unserer Zeit erst einmal an den Staat, dessen Gesetze und Rechtsprechung gebunden. So war es aber auch in nicht-staatlichen Gesellschaften, wie dem alten Israel. Hier galten natürlich die Rechtssatzungen der hebräischen Bibel. Allerdings kann man hier zwischen „apodiktischen“ und „kasuistischen“ Rechtsnormen unterscheiden (siehe auch: https://www.bibelwissenschaft.de/wibilex/das-bibellexikon/lexikon/sachwort/anzeigen/details/recht-at/ch/b70aba4de85fcaed2c07808934bc0b92/#h5). Was nun den Sex angeht, so stehen hier Rechtsnormen vor allem in kasuistischen Wendung. Das sind ganz konkrete Fallbeschreibungen, die dann vom Richter ausgelegt und angewandt werden mussten. Es sind daher keine „allgemeinen“, überzeitliche Normen, sondern sie dienen immer dem bestimmten Gemeinwohl, so dass ein Zusammenleben in Sippe-, Stammes- und Dorfgemeinschaft gut möglich ist. Diese Kontexte haben sich aber vollständig geändert und passen nicht mehr auf einen modernen Staat und eine global agierende plurale Gesellschaft, mit ganz anderem Verständnis von Gemeinschaft und Individuum. Diese biblischen Texte sind also – man muss es so direkt sagen – einfach nicht mehr relevant!

    Was aber an diesen Texten relevant bleibt für den christlichen Glauben, wenn man sich an der Bibel orientieren will, ist ihr Wille und ihr Gestus. Wenn man so will: das was Gott als liebender Vater durch sie bewirken will. Eben das: ein gelingendes Zusammenleben! Und genau das ist auch unser Punkt in der Folge: ein gelingendes Zusammenleben im Hinblick auf die eigene Sexualität und die der anderen bedeutet eben, dem Sex zwischen freien Menschen nicht gewalttätig zu begrenzen. Hier sind die Stichwörter „frei“ und „gewaltlos“ (also nicht im Sinne von Schlagen in einvernehmlichen SM) entscheidend. Dort aber, wo ich mein Lustbedürfnis gewaltbedingt und suchbehaftet an anderen oder auch mir selbst anbringe, ist das Gebot der Nächsten- und Selbstliebe missachtet und ist daher abzulehnen. Alle anderen Formen des Sexes (alleine, zu zweit oder zu dritt, zwischen Männern, Frauen, Transmenschen, etc.) sind (vielleicht bis auf Inzest – aber hier sind es andere Gründe) daher erst einmal nicht einzuschränken, wenn sie den obigen Bedingungen entsprechen.

    Ich glaube also, es gibt keine dedizierte biblische Sexualmoral. Ja es gibt und gab immer eine „christliche“. Aber diese war immer historisch, kulturell und ideologisch gewachsen und darf bzw. muss sich daher auch ändern und an veränderte kulturelle Gegebenheiten anpassen.

    1. Danke für die ausführliche Darlegung. Wir sehen die Dinge unterschiedlich und das akzeptiere ich. Ich weiß nicht, ob ich noch irgendwann mal zu diesem Thema zu einem abschließenden klaren Bild komme, und ich habe auch keine Ahnung, wie meiner Meinung nach die Kirche mit dem Thema Sex umgehen sollte. Sicher wurde da auch sehr viel falsch gemacht. Trotzdem hat sich jetzt bei mir eines nicht geändert: ich kann einfach beim besten Willen nicht nachvollziehen, warum die biblische Sexualmoral (die du als allgemein gültig abstreitest) historisch bedingt sein sollte. Der Mensch war schon immer gleich, es gab zu allen Zeiten die verschiedensten Sexualpraktiken, sonst wären sie ja im AT auch nicht angesprochen worden (Sex in der Ehe, Sex außerhalb der Ehe, Sex mit Gleichgeschlechtlichen, Inzest, Sex mit Tieren, Orgien bzw Gruppensex). Gabs in allen Völkern und natürlich auch im alten Griechenland, dessen Gepflogenheiten in den Paulus-Briefen ja durchaus eine Rolle spielen. Nun ist es so, dass an vielen Stellen der Bibel, auch im NT alle Sexualpraktiken außerhalb der Ehe als Hurerei bezeichnet werden, der man sozusagen sich enthalten soll, mehr noch, ihr entfliehen soll und mir erschließt sich einfach nicht, weshalb es kulturell weniger akzeptabel sein sollte, wenn ein reicher angesehener Athener am Wochenende gemeinsam mit seinen ebenso angesehenen Freunden in einen Lusttempel ging, als wenn in der heutigen Zeit angesehene Geschäftsleute
      Partys mit Edel Sexarbeiterinnen veranstalten. Im Gegenteil bin ich der Auffassung, dass in der damaligen griechischen Kultur wesentlich mehr Offenheit und Akzeptanz dahingehend bestand, gerade weil heute tatsächlich die christlichen Moralvorstellungen so eingewurzelt sind, dass man versucht, solche Praktiken eher geheim zu halten, da sie teilweise gesellschaftlich als verwerflich gelten und man sozusagen damit eher nicht angeben kann. Aber der Punkt für mich persönlich ist: EGAL, was der kulturelle und gesellschaftliche Kontext ist: gibt es eine allgemein gültige Norm, Vorgabe, Wunsch, Plan…. wie mans nennen will, von Gott, ja oder nein? Ich sage nicht, dass ich zu diesem Punkt vorgedrungen bin, aber ich glaube, dass Sexualität eben etwas ganz besonderes ist und gute sowie auch schlechte Seiten haben kann, so eine Art Feuer, mit dem der Mensch umgehen muss, aber oft nicht umgehen kann. Paulus sagt an einer Stelle, man schade seinem eigenen Körper, wenn man ein Leib mit einer „Hure“ wird. Verstehen kann ich das nicht. Aber wie gesagt kann ich die Aussagen der Bibel dahingehend nicht als historisch begründet sehen, weil die Begrenzung der ausgelebten Sexualität eher mit dem Schutz von Geist, Leib und Seele begründet wird. Menschen haben aber meiner Meinung nach heutzutage seelisch, körperlich und geistlich die gleichen Tiefen und Probleme wie eh und je.
      Mehr weiß ich nicht und mehr kann ich nicht sagen. Danke für den Austausch!!

  4. Lieber Jörg, hallo Stefan,

    Respekt, dass ihr euch diesem komplexen Thema gewidmet habt. Ich finde, es ist sehr paradox: einerseits wird über Sex viel zu viel ausgehandelt, v.a. Macht, was garnix damit zu tun haben sollte. Andererseits reden wir sehr wenig darüber, haben eine sehr dürftige Sprache dafür, wenn es um Sexualität, Bedürfnisse, Menschsein geht…
    Zum Thema Geschlechtergerechtigkeit hab ich vielleicht noch einen Gedanken: Ursprung der Unterdrückung der Frauen durch Männer könnte ja der „Gebärneid“ sein. Im Grunde ist ja aus meiner Sicht Schwangerschaft und Gebären können, der einzige Unterschied zwischen Mann und Frau. Alles andere können theoretisch beide. So gesehen ist vielleicht für Paare, die dieses „Geburtsding“ nicht haben, aus welchen Gründen auch immer, Gleichberechtigung, auch in der Sexualität einfacher? Keine Ahnung… Viel leicht habt ihr dazu noch eine Idee… Ich wüsste noch mehr, ist aber anstrengend, soviel zu tippen 🙂

    1. Hallo Irmi, danke für Deinen Kommentar!
      Freud hätte mit dem Penisneid auch gleich den Gebärneid mit entdecken können… Ich weiß nicht, ob der Gebärneid unter Männern ausgeprägt ist, ich persönlich finde es sehr schade, keine Kinder bekommen zu können, aber es ist kein Problem für mich – für schwule Paare kann das schon ein großes Problem sein. Ich würde es allgemeiner formulieren: die körperlichen Unterschiede sind die einzigen Unterschiede zwischen Mann und Frau, oder?

  5. Da bin ich ja reichlich spät dran, aber ich habe mir den Podcast tatsächlich erst jetzt angehört :).
    Danke an Jörg und Stefan für diesen sehr gut abgerundeten Podcast zum Thema Sex. Mir sind dabei noch zwei Gedanken gekommen, die ich gerne mit euch teilen möchte:
    1. Monogamie als evolutionäres Erfolgsmodell:
    Aufgrund meines Biologiestudiums wage ich hier einmal, eine These aufzustellen:
    Die Monogamie ist über den gesamten Erdball die am häufigsten verbreitete Sexualitätsstrategie innerhalb der Menschheit. Zumindest würde ich das akutell so beurteilen, ohne hierzu eine Datengrundlage zu haben. Daraus folgere ich, dass sie evolutionär betrachtet vorteilhaft sein muss. Und Außnahmen bestätigen ja bekanntlich die Regel ;).
    Ich möchte das unter dem Gesichtspunkt der r- und K-Strategie erläutern, die ihr ja bereits in eurem Podcast angesprochen habt. Betrachtet man die Zahl der Gameten (Eizellen bei der Frau, Spermien beim Mann), den Ort und die Dauer des Heranwachsens des Embryos und die immense Bedeutung der Bindung zwischen Elternteil und Kind für den Erfolg des Kindes als Erwachsener, so behaupte ich: Männer haben als r-Strategen große Vorteile gegenüber den Frauen. Männer können ihre Samen an viele Frauen innerhalb kurzer Zeit weitergeben. Die Chancen dieser Kinder sind zwar dann schlechter, als wenn sie sich an der Aufzucht beteiligen würden (bitte verzeiht die Ausdrucksweise, ich spreche hier aus der Perspektive eines Biologen ;)). Jedoch können Männer diesen Nachteil durch eine hohe Zahl an Befruchtungen verstreut an verschiedene Partnerinnen wieder ausgleichen. Das erklärt unter anderem auch, warum sich in einigen Kulturen der Harem als Fortpflanzungsstrategien behaupten konnte. Dennoch ist die Monogamie weiter verbreitet, dies lässt sich aus meiner Sicht folgendermaßen erklären:
    Frauen sind schon allein durch die Schwangerschaft ein Jahr an ein Kind gebunden. Und die Chancen stehen für den Nachwuchs schlecht, wenn sie nach der Geburt das Kind dem männlichen Partner überlassen würden (falls dieser nach der Geburt überhaupt noch verfügbar ist). Da ist es nachvollziehbar, warum sie eher die K-Strategie wählen (hohe Resourceninvestition in einige wenige Kinder). Am besten stehen ihre Chancen für eine möglichst erfolgreiche Reproduktion (das eigene Erbgut durch Kinder vermehren), wenn der männliche Partner nach der Geburt über viele Jahre noch bei der Aufzucht der Kinder mithilft. Frauen suchten sich daher im Verlauf der Menschheitsgeschichte (wohl meist auch unbewusst) Sexualparter, die möglichst monogam geprägt sind. Hier können wir die vielfältigen verbreiteten Balzrituale mit ansprechen (jahrelange Beziehung vor dem Kinderwunsch, Verlobung, teure Hochzeit, früher auch Mitgift, usw.). Diese können als Erprobungsverfahren bewertet werden.
    Je weiter man in der Menschheitsgeschichte nach heute blickt, desto wichtiger wird die gesellschaftliche Kultur für das Überleben der Nachkommen. Das Anlernen der Kultur zieht sich bis ins Erwachsenenalter, aber auch das Weitergeben von kulturellen Gütern wie Land, Vermögen, usw. spielt eine immer wichtigere Rolle. Schlussfolgernd ist es auch nach der Aufzucht für den Nachwuchs sehr vorteilhaft, wenn ein Paar ein Leben lang zusammenbleibt.
    Dass der monogame Lebensstiel als idealisierte Form auch Teil des menschlichen Kulturguts wurde, ist aus meiner Sicht nur ein weiterer Vorteil. So ist die Weitergabe der monogamen Fortpflanzungsstrategie nicht nur von der Selektion abhängig gewesen, sie wurde auch horizontal an die Nachkommen weitergegeben.
    So erkläre ich es mir, dass sich die Monogamie im Laufe der Menschheitsgeschichte als ein erfolgreiches Modell durchgesetzt hat.

    Ein kleiner Exkurs:
    Auch die Verurteilung des Seitensprungs ist aus der biologischen Perspektive durchaus sinnvoll: Nur wenn sich der Großteil der Individuen in einer menschlichen Population an die monogame Lebensweise halten, ist die Vererbungs-Gerechtigkeit zwischen Frauen und Männern sichergestellt. Die Verurteilung des Seitensprungs ist ein kulturelles Erbe, welches die monogame Lebensweise fördert, was sich wiederum vorteilhaft auf die Menschheit ausgewirkt hat. Ich stelle hier jedoch lediglich Ursache-Wirkungs-Zusammenhänge hier und möchte keine moralische Bewertung vornehmen. Das mache ich gerne auf Anfrage, aber dann getrennt von wissenschaftlichen Folgerungen ;).

    2. Scham als evolutionär erfolgreiche Verhaltensweise:
    In eurem Podcast wird Scham aus meiner Sicht auffällig oft negativ bewertet. Ich sehe das nicht so. Sicherlich kann Scham auch hinderlich für die individuelle Entwicklung sein. Doch hat Scham für mich mehr Vorteile als Nachteile, natürlich differenziert betrachtet. Daher sehe ich auch den Scham als eine evolutionäre und kulturelle Errungenschaft, die für unsere moderne Gesellschaft eine wichtige Voraussetzung ist.
    Als Vorteile von Scham sehe ich:
    – Schutz des heranwachsenden Menschen vor Verhalten, die den aktuellen Entwicklungsstand überfordern würden (z.B. das Nacktheitsempfinden ab der frühen Geschlechtsreife, als Schutz vor zu frühem Geschlechtsverkehr mit allen daraus hervorgehenden Folgen).
    – Schutz der menschlichen Populationen vor asozialen Verhaltensweisen (z.B. Diebstahl, Fremdgehen, Missbrauch, usw.) Aber auch Schutz vor asozialen Verhaltensweisen innerhalb einer Partnerschaft, in dem Scham rücksichtsvolle, partnerschaftsorientiertes Sexualverhalten fördert.
    Ohne Frage wurde das Schamgefühl in der Menschheitsgeschichte oft sowohl innerhalb von Beziehungen als auch von Institutionen missbraucht. Doch daraus zu folgern, dass Scham generell etwas negatives wäre, halte ich für kurzsichtig.

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